World Games 2017 - Interview Martin Weiß
FA: Nach dem Ausscheiden einiger Nationalteam-Routiniers hast Du die nach der Heim-Euro 2016 angekündigte Verjüngung im Kader vorgenommen. Wie haben sich die Nachwuchshoffnungen in das Stammgerüst der Routiniers eingefügt?
MW: Phasenweise schon ganz gut, aber das braucht natürlich Zeit. Die Routiniers haben mehr Erfahrung und die Jungen müssen bei möglichst vielen Events diese Erfahrung erst bekommen.
FA: Kann diese neu formierte Mannschaft schon bei den World Games ernsthaft um den Titel mitspielen, oder verfolgt das Trainerteam andere (längerfristige) Ziele?
MW: Wir wollen immer um den Titel mitspielen und im Faustball ist alles möglich. Mit der richtigen Taktik und dem nötigen Glück ist auch ein World Games Sieg möglich, auch wenn die Favoriten aus anderen Nationen kommen.
FA: Eine Frage, die uns jetzt schon länger begleitet: Bei den letzten Großereignissen konnte das Faustball Team Austria zumindest ergebnismäßig nicht mit der Schweiz und den Titelverteidigern aus Deutschland mithalten. Wie schätzt Du das Niveau des aktuellen, verjüngten Kaders im Vergleich zu diesen derzeit dominierenden Nationen ein?
MW: Ich denke, dass der Abstand zu Deutschland schon noch enorm ist. Gegen Brasilien und die Schweiz sollten wir mithalten können, wenn wir unsere Topleistung abrufen können.
FA: Woran wurde in der Vorbereitung speziell gearbeitet, um die Lücke nach oben zu schließen?
MW: Wir haben speziell an Wettkampfsituationen gearbeitet, um die Abstimmung zu finden. Wir haben auch mit den Jungen ein internationales Topturnier in Vaihingen/Enz gespielt, weil es wichtig ist, dass sie den internationalen Kontakt haben.
FA: Wie lautet die konkrete Zielvorgabe für die kommenden World Games?
MW: Unser Ziel lautet Finale! Wir denken, dass wir das Zeug haben, dorthin zu kommen. Uns ist aber klar, dass das nur mit einer Topleistung möglich ist.
FA: Im Angriff sind Dietmar Weiß und Peter Augl aus dem Kader ausgeschieden, neben Routinier Jean Andrioli hattest Du fünf aufstrebende Talente im Vorbereitungskader. Warum hast Du Dich für Gustav Gürtler und Martin Pühringer entschieden?
MW: Beide sind körperlich topfit und können ohne Probleme vier Spieltage in Breslau durchhalten. Sie haben beide mit ihren Teams ohne Probleme den Aufstieg in die erste Bundesliga geschafft. Gustav hat im letzten Jahr als Nebenangreifer neben Jean eine extrem gute Figur gemacht und Martin hat als Linkshänder in diesem Jahr einen Riesenfortschritt gemacht. Er hat Übersicht und Sicherheit und konnte jetzt im letzten halben Jahr auch seine Schlagschärfe eklatant steigern.
FA: In Abwehr setzt Du mit Bela Gschwandtner, Manuel Helmberger und Klaus Thaller auf überaus erfahrene Spieler, die schon bei mehreren Großereignissen im Kader standen. Auch Simon Lugmair war schon bei der vergangenen EM dabei, einziger Debütant ist Elias Walchshofer. Was fehlt den Nachwuchsspielern noch, um zu den arrivierten Spielern aufzuschließen?
MW: In der Abwehr und im Zuspiel ist die Erfahrung und die Routine fast noch wichtiger als im Angriff. Hier musst du in heiklen Situationen Ruhe bewahren und auch das nötige dosierte Risiko nehmen. Hier haben die Spieler noch den Vorteil, die schon einige internationale Team- oder Vereinsevents hinter sich haben. Das fehlt den jungen Spielern noch. Wir wollen aber in Zukunft jede Möglichkeit nutzen, uns international mit anderen Nationen zu messen.
FA: Im Zuspiel schaffte es neben Stammkraft Stefan Wohlfahrt der Freistädter Julian Payrleitner erstmals in den finalen Kader. In der Bundesliga sind Payrleitner und Angreifer Andrioli ja ein höchst erfolgreiches Gespann und haben mit Freistadt eben erst den Meistertitel geholt. Sind da schon entsprechende Aufstellungsvarianten vorprogrammiert?
MW: Vorprogrammiert ist noch gar nichts. Natürlich spielen in unseren Köpfen gewisse Kombinationen eine große Rolle, die wir in unsere Vorbereitung einfließen ließen. Unsere Jungs sind aber so flexibel, dass wir relativ schnell wechseln können und immer die Möglichkeit haben, extrem gefährlich zu sein.
FA: Bei den World Games werden erstmals neue Regelungen umgesetzt. Es dürfen nun in jedem Spiel alle 10 Kaderspieler eingesetzt werden, die Regelung zum Übertritt beim Service – das trifft speziell Spieler mit Sprungservice – wurde überarbeitet, für Time-Out muss man nun an die Seitenlinie. Die Änderungen wurden teilweise sehr kontrovers diskutiert. Wie siehst Du diese Änderungen, bzw. inwieweit haben sie Auswirkungen auf unser Team?
MW: Die Erweiterung auf den Einsatz von 10 Spielern ist super, das gibt uns mehr Flexibilität. Die Übertrittregel ist prinzipiell sinnvoll, verlagert aber jetzt strittige Situationen an eine andere Stelle. Der Schiedsrichter kann jetzt eindeutig erkennen, ob beim Sprungservice das hintere Bein auf oder hinter der Linie landet. Ob jetzt das vordere Bein gleichzeitig oder doch vorher den Boden berührt hat, ist jetzt der Knackpunkt.
Dass ich beim Time Out jetzt quer übers Feld laufen muss, ist egal. Das ist eine Änderung der Organisation, die einfach nur gewöhnungsbedürftig ist. Das ist kein Problem. Optisch sieht es besser aus als vorher. Es gibt keine andere Sportart, wo das Time Out mitten im Feld ist. Die Diskussion ist ja hier nur entstanden, weil wir auch noch die einzige Sportart sind, wo die beiden Betreuer überall in der eigenen Hälfte stehen dürfen. Das gibt’s auch nirgends wo. Wenn wir eine Coaching-Zone hätten, wäre auch das Time Out viel einfacher. Ich muss aber ehrlich gestehen, dass ich das auch noch genieße, dass ich an der gegenüberliegenden Seite in Leinennähe stehen kann, um das gegnerische Zuspiel zu beobachten. Auswirkungen aufs Team haben diese Änderungen ganz wenig. Es müssen nur jetzt alle in jedem Spiel bereit sein, weil sie jederzeit eingewechselt werden können.
FA: Du bist jetzt seit knapp eineinhalb Jahren Männer-Teamchef. Deine Bilanz bzw. Deine persönlichen Erfahrungen?
MW: Ich habe mit meinem Betreuerstab zu meinem Beginn versucht, unsere Ziele zu formulieren und den Weg zu erklären, den wir gehen wollen. Es ist der Weg der perfekten körperlichen Fitness als Basis für guten Faustballsport. Dieses Vorhaben entwickelt sich schwieriger als wir erwartet haben. Hier müssen wir unserem Weg etwas Feintuning verpassen. Abweichen werden wir sicher nicht. Mit dem Engagement der jungen Spieler sind wir zufrieden, das funktioniert super. Was mir nach wie vor schlaflose Nächte bereitet, sind die Nominierungsfragen. An das habe ich mich noch nicht gewöhnt und gehört definitiv zu der unbeliebtesten Aufgabe von mir als Teamchef. Ich habe Gott sei Dank viele Personen in meinem Umfeld, die mir dabei zur Seite stehen und mich perfekt beraten.
19.07.2017 08:17